Last Vegan Food Stall Before Bella Center

Der groß angekündigte Klimagipfel vom Dezember 2009 in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen sollte die Weltgeschichte entscheidend verändern. Obwohl die Notwendigkeit für Veränderungen hoch ist, waren viele Aktivist~innenen davon überzeugt, dass das Ganze auf eine Farce hinauslaufen würde. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen kamen viele von ihnen nach Kopenhagen.

Es waren auch viele Volksküchen am Start, z. B. Automat aus Schweden, Anarchist Teapot aus Großbritannien, Food for Action aus Deutschland und Rampenplan aus den Niederlanden anwesend um die erwarteten tausenden Aktivist~innenen mit Essen zu versorgen. Ich selber war einer der etwa 15 Köche und Köchinnen der niederländisch-deutschen Volksküche Le Sabot.

Persönliche Erfahrungen hinter den Töpfen und Pfannen:

Never Trust a Cop!

Die Botschaft der UN-Umweltkonferenz COP 15 ist, dass eine weitere globale Erwärmung nur bewältigt werden kann, wenn alle Länder bereit sein würden wirklich etwas gegen den Klimawandel zu tun. Den Namen, den Aktivist~innen dieser Konferenz gegeben haben, erinnert an alte Kommunikationsguerillatechniken, ‘Never trust a COP’. Und tatsächlich gilt das Motto immer noch, obwohl ich das natürlich wusste: Vertraue keine(r)n Polizist(in)en! Die sogenannten Vertreter~innen aller Länder verhandelten Tage und Wochen. Doch mit welchem Mandat – ein Mandat von der Bevölkerung oder eins diktiert durch Industrielle? Die Verhandlungen müssten eigentlich um den zerstörerischen Einfluss des dominanten freien Marktes, um die ungleiche Verteilung von Reichtum und Armut und den Konkurs der kapitalistischen Gesellschaft gehen. Nach dem finanziellen Debakel der Großbanken, der Knappheit der Lebensmittel verursacht durch eine unehrliche Verteilung und der ständigen weltweiten Militärgewalt, ist es jetzt Zeit für das Klima und weitreichende strukturelle Veränderungen. 1997 fand in Kyoto ein Treffen der politischen Weltführer~innen statt um über das Klima zu reden. Damals wurde deutlich, dass die Interessen der Großindustrie bei den verabschiedeten Vereinbarungen eine wichtige Rolle spielten. In Kyoto waren die USA besorgt, dass China, noch mit den Rechten eines Entwicklungslandes, zu einem zu großen Konkurrent auf dem freien Markt werden würde. Das gleiche Prinzip wurde in Kopenhagen weitergeführt. Es wurde nämlich keine Einigung erreicht.

Kopenhagen auf einen Blick

Die Slogans, womit Menschen aufgerufen wurden, stimmen überein mit den Ideen der Sabotistas. ‘Our climate is not your business, stop the green capitalist’ und „Klimaveränderung ist ein Symptom, der Kapitalismus ist die Krise.” Gleichzeitig wurde durch verschiedene Gruppen weiter gedacht als nur an die Umweltauswirkungen. Am Montag, den 14. Dezember, gab es eine große ´No Border` Demonstration, wegen der ständig wachsenden Zahl von Klimaflüchtlingen in der Welt. Es gab auch Aktionen für und von Bauern aus der ganzen Welt: der absurde Emissionshandel wurde auf unterhaltsame Weise zur Schau gestellt.

Durch die radikalen Aufrufe und die vielseitig angelegten Protesten, war es für Le Sabot keine Frage sich bei den Aktionen in Kopenhagen anzuschließen. Le Sabot ist vor 3 Jahren aus einer niederländischen Aktionsküche entstanden. In der Zwischenzeit ist viel passiertund momentan kann die Küche 2- 2500 Menschen mit Essen versorgen bzw. auf einer Demo auch 4-5000. Die Küche wird durch Menschen, die unbezahlt ihre Zeit und Energie reinstecken, am Laufen gehalten. Le Sabot kocht biologisches und veganes Essen auf Demonstrationen, Aktionen und anderen Initiativen. Dabei spielen anarchistische Ideen um die Gesellschaft zu verändern und zu verbessern eine grundsätzliche Rolle.

Folkets Hus

Die Sabotistas wurden bereits Anfang 2009 in die Vorbereitungen von ´Kopenhagen` involviert. Es gab intensive Besprechungen wer, was, wo in Kopenhagen tut. Mehr als einen Monat vor den Aktionen war eine von uns in Kopenhagen um die letzten Probleme mit der Kücheninfrastruktur zu lösen. Es erfordert viele Rücksprachen mit allen Küchen um alles gut auf einander abzustimmen: Das Bestellen von Gemüse bei lokalen Biobauern (wie und wo zu lagern), der Gasverbrauch der Küchen, Trockenwarenlieferung aus Deutschland und den Niederlanden (in Dänemark ist es sehr viel teurer) und Kontaktaufnahme mit biologischen Bäckereien für Brot. Wo in Kopenhagen können die Küchen aufgebaut werden und welche Küche kann für wieviel Menschen kochen. Generell wollen die Köch~innenen von Sabot lieber im Freien kochen. Basierend auf diesen “Bedingungen” hat die Sabot Küche ihr Zelt neben der alten Hausbesetzerhochburg von Kopenhagen, dem Folkets Hus, aufgebaut. Die Erwartung war, dass fast alle Aktivist~innenen auf dem Weg zum Infozentrum, dem Medienzentrum und dem Stadtzentrum am Folkets Hus vorbeikommen würden. Von hieraus würden die Leute auch den Weg Richtung Schlafplatz am Rande der Stadt finden.

Global Day of Action

Unsere erste große Aufgabe würde das Kochen am Samstag sein. An diesem Tag sollte eine große Demonstration unter dem Motto ´Global Day of Action` stattfinden. Vom Zentrum von Kopenhagen, dem dänischen Parlamentsebäude, sollte eine bunte Parade von kritischen Menschen und Gruppen loslaufen und ein besseres und gründliches Klimabkommen fordern. Für Climate Justice Action (CJA) sollte dieser Tag ein Warm-up sein für spätere direkte Aktionen. Berichten zufolge waren rund 100.000 Menschen in der Stadt. Auf halbem Wege der Demonstration wurden ungefähr 1000 Personen verhaftet. Diese Gruppe bestand aus einer Mischung von GewerkschafterInnen, jungen Klima-AktivistInnen und Menschen von NGOs. Es gibt ernsthafte Kritik an diesen Verhaftungen. Zu Beginn der Demonstration gab es einen kleinen Aufruhr. Es scheint, dass der Aufruhr durch die Polizei als Legitimation missbraucht wird. Die Festgenommenen wurden mit Handschellen gefesselt und erst gezwungen in Reihen auf dem Boden zu sitzen und später wurden sie abtransportiert zu Käfigen in einer Turnhalle, ohne Toiletten, medizinische Hilfe oder Wasser. Mehrere Festgenommenen wurden ohnmächtig vor Kälte oder Erschöpfung. Es war seltsam zu sehen, dass die Demonstration genau so groß schien zu sein wie die Zahl der Leute, die an diesem Samstag ihren Einkaufsbummel machten. Es war schließlich einer der letzten Samstage vor Weihnachten. Wir bekamen abends während der Essensausgabe die ersten Berichte von gerade freigelassenen Aktivist~innen zu hören: Berichte über die Unruhen in den Polizeikäfigen und die häufige Verwendung von Pfefferspray. Es war als ob die Empörung sich überall in dieser kalten Nacht in Kopenhagen verteilte. Denn fast gleichzeitig entstanden kleine Unruhen rund ums Folkets Hus. Es entstanden viele kleine Brände (Müllcontainer und ein Auto) und es war viel Polizei unterwegs. Rund 3 Uhr nachts wurde der Park rund ums Folkets Hus umzingelt von etwa dreihundert Polizist~innen. Polizeibusse mit Flutlicht beleuchteten den Park so, dass Tag zu sein schien. Bei Problemen versammeln sich, so ist es abgesprochen, alle beim Küchenzelt. Darum stand auch jetzt mitten in der Nacht ein großer Teil der Küchencrew eingehakt ums Küchenzelt. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass Behörden gerne die Bewegungsfreiheit von Unterstützergruppen einschränken wollen. Wir wollten vermeiden, dass die Küche ohne Widerstand geräumt werden würde. Nach einiger Zeit kam die übliche Kombination aus einem guten Cop und einem noch besseren Cop. Sie erzählten uns, dass die Belagerung nicht uns gelten würde, sondern dass es aus der Nachbarschaft Molotow-Cocktails geworfen wurden. Trotz unserer Müdigkeit waren wir besonders wachsam. Erst 1000 Menschen präventiv verhaftet und anschließend eine Küche umzingeln mit der Begründung, dass woanders Molotov-Cocktails geworfen wurden. Okay, ‘Never ever trust a Cop’ !

Hit the Production

Nach einer kurzen Nacht folgte am Tag danach die große Blockade der Häfen. ‚Hit the Production’ -am Morgen des 13. Dezember schließen wir durch eine Massenaktionsblockade den Hafen von Kopenhagen. Der Hafen ist ein wichtiges Element in der globalen Marktwirtschaft.”
Wahrscheinlich hatte die dänische Polizei kein Problem mit der kurzen Nacht, denn die Demonstration hat lediglich 20 Minuten gedauert: die gesamte Demonstration wurde eingekesselt und es wurden 300 Menschen festgenommen. Während der Essensausgabe bekamen die Küchenleute wieder Berichte von Aktivist~innenen zu hören, die in Polizeizellen misshandelt worden waren.

No Borders

Am 14. Dezember gab es eine interessante Demonstration zum Zusammenhang von Migration und Klimaveränderung. Mittlerweile ist allgemein bekannt, dass der reiche Westen (ergänzt mit China und Indien) der wichtigste Faktor für die Ursachen des Klimawandels und seiner zerstörerischen Folgen ist. Umso ergreifender, dass die Opfer dieser Naturkatastrophen in den reichen Ländern nicht willkommen sind.
Die Demonstration begann in der Nähe des Folkets Hus, daher wurde Le Sabot gefragt, am Anfang der Demonstration Suppe aus zu teilen. Wie am Samstag war die Demo mit 600 sehr bunt. Die Demonstration wurde unerwartet unterstützt von Jugendlichen aus einer nahe gelegenen Schule. Die Schüler, die leider nicht teilnehmen konnten, hatten einen herrlichen Blick über den Demonstrationszug und ließen dies mit viel Begeisterung hören. Unter Begleitung der international zusammengesetzten Samba Band und der dazugehörende Tanzgruppe gelang es der Küche viele Teller heisse Suppe auszuteilen.

Bella Center

Es ist üblich, dass während eines Kochprojektes viel pleniert wird, damit alles gut läuft. Der Schwerpunkt der Küchencrew lag nach der ´No Border’ Demonstration bei der nächsten Aktion beim Bella Center und der Verstärkung der Food for Action Küche beim Schlafplatz in Teglholmen.

COP 15

Im Bella Center unterhandelten die Regierungen schon Tage lang und am Mittwoch sollte eine große Aktion dort stattfinden. Auf dem Küchenplenum beschlossen wir, dass wir erstmal selber beim Center gucken gehen um einen guten Ort zu finden und Aktivisten mit Essen und Trinken versorgen zu können. Das Center liegt im Süden von Kopenhagen inmitten von Bürohäusern mit einer S-Bahn mitten durch. Wind und Schnee haben freien Lauf. In dem ganzen Viertel haben wir keinen Baum gesehen. Nachdem die Situation am Center für uns klar war, haben wir den Rest der Küche informiert und ist ein Teil der Sabotistas nach Teglholmen gegangen. Food for Action war müde und sehr unterbesetzt. Das nächste Plenum fand statt, weil am nächsten Morgen in aller Frühe kleine autonome Gruppen zum Center gehen würden um über die Zäune zu klettern. Die Küche möchte auch diese kleinen Gruppen mit Tee und Kaffee versorgen. In dieser Nacht haben wir Nudeln gekocht um sie während der Bestürmung des Centers auszuteilen. Um 07.00 Uhr machte sich das Küchenteam auf den Weg.

Reclaim Power, pushing for climate justice

Die große Demonstration führte zum Bella Center, wo Vertreter~innen der nationalen Regierungen, NGOs und Unternehmen zusammen kamen, um zu diskutieren über Lösungen für das Klimaproblem. Das Ziel der Demonstration war , beim Bella Center eine ´people’s assembly` abzuhalten. Zunächst war mit Hunderten von Vertretern aus Umwelt-und Entwicklungsorganisationen abgemacht, dass sie das Bella Center verlassen, um an der ´peoples assemply` teil zu nehmen. Mehrere Staats-und Regierungschefs, vor allem aus Entwicklungsländern, hatten zugesagt, das Bella Center zu verlassen, wenn die Demonstration ankommt um an der ´people’s assembly` teil zu nehmen. Auch sie finden, dass sie durch westliche Regierungen zu wenig gehört werden.

Wie erwartet, war die Polizei pünktlich beim Bella Center. Von unserem Platz aus hatten wir eine gute Sicht auf die Demonstration. Der Tee und die Suppe wurden in der Nähe des Haupteingangs ausgeteilt. Was wir von unserer Seite aus sehen konnten, war sehr beeindruckend. Der Lautsprecherwagen der Aktivist~innen wurde von der Polizei bestürmt. Danach wurde er zum Glück wieder zurückerobert. Nachdem ein Großteil der Protestierenden Richtung Autobahn gepusht wurde, bekam auch die Küche mit der sehr unfreundlichen Polizei zu tun. Trotz der hinderlichen Anwesenheit der Polizei ist es uns gelungen viele Teller mit Nudeln auszuteilen. Trotz der Tränengaswolken konnten wir heißen Tee an die blassen Demonstranten geben. Der erneute Versuch, die Demonstration Richtung Bella Center zu bewegen, war sehr beeindruckend. Es bleibt die Frage ob es die richtige Taktik war und was während der ´peoples assembly` besprochen werden sollte. Die Tatsache, dass viele Menschen den Schnee, die Kälte und die unnötige Polizeigewalt ignoriert haben, bleibt ermutigend. Eine sehr bunte Gruppe von Leuten, ungefähr 2.000 bis 5.000, wollte die Macht zurück ergreifen. Die Sabot-Küche, die beim Bella Center Unterstützung von Rampenplan erhalten hatten, teilte weiterhin Nudeln aus und forderte die Menschen auf wieder zurück zur Demonstration zu gehen. Dort wurden sie sehr gebraucht. Die Polizei schien zu bemerken, dass durch die Tee- und Nudelausgabe die Leute in der Nähe blieben und sogar wieder zurück zur Bestürmung wollten. Die Polizei wollte das ganze Gebiet leer räumen, darum musste auch die Küche weg. Zunächst jagten sie die Umstehenden weg und dann musste die Küche sich verpissen. Nach dem dritten Versuch haben wir unsere Sachen gepackt.

Fazit

Vorab möchte ich sagen, dass die Küche ihre Funktion während der Aktionstage in Kopenhagen erfüllt hat. In dieser Hinsicht hat es sich gelohnt nach Kopenhagen zu fahren und auf diese Art und Weise an den Protesten gegen die Mächtigen teilzunehmen. Die Unterstützung von Initiativen deren Einsatz eine gerechte Gesellschaft ist, ist sehr wichtig. Aus ideologischer Sicht bin ich mehr ein Befürworter von Widerstand als von Protest. Es ist für die Regierung immer noch einfach sich einen Teufel um die Demonstration und die dazugehörenden Ideale zu scheren. Diese Ignoranz fordert eine Revolte: Stoppen der Verhandlungen, blockieren der Straßen, sabotieren der Industrien und Banken. Diese Aktionen müssen auch in Zukunft stattfinden. Und zwar so , dass jede~r an diesen Aktionen teilnehmen und sie verstehen kann. Die gemäßigten Gruppen können dann weiterhin ihr Ding machen, so wie sie es in Kopenhagen getan haben. Der Druck muss allerdings erhöht werden. Die Küche wird auch weiterhin diesen aktivistischen Weg unterstützen. Das Äußern des Wunsches von einer gleichberechtigten Gesellschaft, die Abschaffung von Gier und Egoismus und das Verteidigen von offenen Grenzen ist schön und gut, aber nur das Äußern dieser Wünsche ist noch lange nicht genug.

What we want is a better world for everyone, what about you?

(von LeSabot)