NKL ist nicht nur eine Lotterie

Verwunderung am Frühstückstisch: toller Brunch am letzten Tag vom Camp, aber wo sind die obligatorischen Spendeneimer, auch die lautstarken Ansagen der Vokü-Crew sind nicht zu hören. Statt dessen voll geladene Tische, Bratkartoffeln, Müsli, Sojamilch, Griessbrei, Brot und Burger. Lecker…..trotzdem, die Verwunderung weicht nicht. Irgendwie muss das Essen doch bezahlt werden? Muss es nicht. Die Vokü ist Teil eines Netzwerkes, welches Nicht-Kommerzielle Landwirtschaft (NKL) betreibt. Dieses Netzwerk besteht gleichermassen aus Erzeugern und Verbrauchern, die Grenzen sind fliessend. Es ist eine große Bedarfsgemeinschaft aus den verschiedensten Teilen der Nahrungskette. Die Vokü versteht sich ganz klar als Teil davon, aber auch die Campteilnehmer_Innen sind ein Teil.

Auf der Lokomotive Karlshof in der Nähe von Templin wird angebaut: Sonnenblumenkerne für Müsli und Öl, verschiedene Getreidesorten für Brot und Haferdrink, Sojabohnen für Tofu, Sojamilch und Sojayoghurt, Lupinen für Burger und Aufstriche, und natürlich Kartoffeln, mit denen alles angefangen hat. Alles angebaut vom NKL – Netzwerk. So sind dann auch bei der Kartoffelernte viele Menschen aus dem Netzwerk vor Ort. Campteilnehmer_Innen, Vokü, Wohnprojekte und andere Verbraucher und Erzeuger. Wie gesagt, die Grenzen verschwimmen. Nichtkommerzielle Landwirtschaft heisst nämlich: hier wird produziert, aber nicht verkauft. Im Hausgarten können wir uns das noch vorstellen, aber bei einer Produktion in einem größerem Zusammenhang verliert diese Herangehensweise nach Alltagslogik schnell seinen Sinn. Es geht um die Entwicklung von anderen, den kapitalistischen Alltagsverstand durchbrechenden Praxen der Produktion und des Verbrauchs.

Ganz so wie in dieser Utopie sieht das Ganze noch nicht aus, aber den Karlshof, die Vokü und das Camp gibt’s tatsächlich. Auch den Kontakt zwischen allen gibt es, nur der Brunch fand in dieser Form noch nicht statt.

Anlass für uns diesen Artikel zu schreiben, war der intensiver werdende Kontakt zwischen dem Karlshof und uns als Vokü. Bei näherer Betrachtung der beiden Gruppen stellte sich heraus, dass es diverse inhaltliche Überschneidungen und Gemeinsamkeiten gibt. Nicht nur sind beide Teil der Nahrungskette, auch der politische Anspruch ist ein ähnlicher. So wie der Karlshof versucht Produktion und Verbrauch zu entkoppeln, so versuchen wir das in der Vokü auch. Essen gegen Spende; Richtpreise statt Festpreise; Wer mehr hat zahlt mehr, wer nichts hat zahlt nichts, trotzdem kriegen alle dasselbe. Wer das Essen isst, muss nicht die Person sein, die es bezahlt. Das funktioniert auch über unterschiedliche Kochprojekte hinweg. Wenn wir bei einem einen Überschuss machen, gibt’s beim nächsten vielleicht ein Minus. Aber es funktioniert, die Struktur Vokü trägt sich.

Vielleicht braucht der Begriff Nahrungskette hier dann noch eine kleine Erläuterung. Am besten mal wieder als Mischung aus Utopie und Realität: Der Karlshof baut an; die Vokü macht Bratkartoffeln; Leute machen Tofu aus den Sojabohnen vom Karlshof, die Vokü kocht; die WG isst; alle ernten; das Wohnprojekt mag zwar keine Kartoffeln, findet aber das Projekt toll und streicht den Schuppen; einige pressen Öl; ein bekannter Schlosser repariert den Pflug und fährt direkt damit aufs Feld zum Pflügen und kocht dann 2 Wochen später in der Vokü mit … Die Grenzen verfliessen. Wer etwas verbraucht, muss dafür keinen Gegenwert liefern. Weg vom klassischem Tauschprinzip, hin zu einer nichtkommerziellen Nahrungskette.

Eine weitere Gemeinsamkeit ist vielleicht im letzten Punkt der Aufzählung schon aufgefallen. Wo Netzwerke sind, die gemeinsam etwas produzieren und verbrauchen, kann und sollte direkt auch ein ständiger Wissenstransfer stattfinden. Der Schlosser lernt pflügen und kocht mal für 400 Leute. Eine aus der Vokü lernt beim Saatgut sortieren eine Menge über Kartoffelkrankheiten. Und die Studentin für Agrarwissenschaft vertieft zusammen mit dem Schlosser ihre Schweisskentnisse beim Bau der neuen Kartoffelstampfer für die Vokü. Der hier stattfindende Wissentransfer fördert direkt den Abbau von Wissenhierachien und schafft Transparenz. Jetzt wissen nämlich plötzlich alle, wo das Saatgut liegt, wie es gelagert werden muß und dass damit 2000 Euro gespart werden können, weil keins gekauft werden muss.

Zum Thema Transparenz: der nichtkommerzieller Charakter der NKL hat zur Folge, dass die Produktion direkt an den Bedürfnissen der im NKL-Netzwerk organisierten Menschen ausgerichtet werden kann und nicht daran, wie auf dem Markt am meisten Gewinn erziehlt werden kann. Durch diese an die Bedürfnisse angepasste Produktion verringert sich auch die Gefahr einer Überproduktion, welche verderben kann. Außerdem bietet sie dem NKL-Netzwerk die Möglichkeit darüber zu entscheiden, was angebaut werden soll, auf welche Art und Weise, für wen und mit wem angebaut wird und wie es weiter verteilt wird.

Der Karlshof als Teil dieser Utopie existiert als Projekt seit ca. 5 Jahren. Seit 2006 wird auf dem Hof in der Nähe von Templin die Nicht-Kommerzielle Landwirtschaft betrieben. Die Gruppe der dort lebenden besteht aus ca. 10 Menschen, auf ca. 50 Hektar wird angebaut. Die Lokomotive Karlshof ist ist mit anderen Projekten und Einzelpersonen in der Projektwerkstatt auf Gegenseitigkeit organisiert (PAG). Die PAG ist ein Netzwerk, in dem sich unterschiedliche Menschen bei der Entwicklung alternativer Formen des Zusammenlebens und Arbeitens unterstützen. Die PAG betreibt eine gemeinnützige Stiftung, welche auch Eigentümerin des Karlshofs ist. So soll die Reprivatisierung der angeschaften Immobilien verhindert werden – ein ersten Schritt in Richtung einer Vergesellschaftung von Privateigentum.

(von LeSabot)